Resilienzfaktor Optimismus

Optimismus ist eine positive Grundeinstellung gegenüber der Zukunft. Ein Optimist glaubt tendenziell, dass die Dinge gut ausgehen werden – fast wie ein inneres Vertrauen, dass das Gute überwiegt. Es gibt Menschen, die viel Leid durchstehen mussten oder müssen und trotzdem optimistisch sind. Während andere, die allen äußeren Umständen nach glücklich und zufrieden sein müssten, dennoch pessimistisch auf die Welt schauen. Optimismus ist eine grundsätzliche Überzeugung und unabhängig von bestimmten Umständen. Es ist mehr eine geistige Haltung, fast wie ein Filter, durch den man die Welt sieht.

Optimistische Erwartungen auf den Verlauf einer Erkrankung, zum Beispiel, tragen maßgeblich zum Heilungs- und Genesungsverlauf bei. „Optimismus ist wohl auch deshalb wirksam und effektiv, weil Optimisten andere Lösungsstrategien anwenden als Pessimisten. Was geschieht mit uns, wenn wir optimistisch sind? Wir fühlen uns vor allem sicher, kraftvoll, selbstwirksam und ruhig.“ (Bergner, 2012). 

Optimisten haben allgemein die Tendenz, positive Ergebnisse zu erwarten und Herausforderungen als überwindbar zu sehen. Diese Einstellung wirkt sich vorteilhaft auf die psychische Gesundheit und das körperliches Immunsystem aus. Optimisten neigen dazu, aktiv zu handeln, sich Unterstützung zu suchen, und ihre Emotionen konstruktiv zu regulieren. Sie erleben beim Handeln mehr positive Emotionen und verfügen über eine größere Ausdauer bei der Bewältigung von Problemen. Optimisten geben den schönen Dingen im Leben mehr Raum, erleben sie bewusster und fördern dadurch ihre Erwartungshaltung auf Positives.

Optimismus als innere Haltung bewirkt also einen positiven Blick auf das Jetzt und die Zukunft, und geht mit einem Gefühl der Leichtigkeit und einer aktiven Lebensgestaltung einher. 

Beispiel: „Ich bin überzeugt, dass dass ich es schaffen werde.“

In ihrem Resilienzmodel definieren Raivich und Shatté (2002) Optimismus als die Fähigkeit „positive Zukunftserwartungen zu haben, Misserfolge nicht als dauerhaft, allumfassend und selbstverschuldet zu interpretieren“ ohne dabei die Verantwortung für das eigene Handeln abzugeben. Optimismus hilft demnach, erlernter Hilflosigkeit („immer“, „alles“, und „ich bin schuld“) entgegenzuwirken. Unsere Interpretation der Ereignisse beeinflusst also, wie wir Krisen interpretieren – und ob wir wieder aufstehen oder aufgeben. Aus einem „Warum passiert mir das?“ wird „So ist es gerade. Was mache ich jetzt damit?“

Wie sieht es mit Hoffnung aus? Ist sie dem Optimismus ähnlich? Hoffnung ist oft spezifischer und emotionaler als Optimismus, der ja eine allgemeine innere Haltung ist. Man hofft, trotz Unsicherheit oder schwieriger Umstände, auf ein bestimmtes gutes Ergebnis. Hoffnung erkennt an, dass etwas schlecht laufen könnte, aber man wünscht sich trotzdem das Gute. Hoffnung ist also eher ein emotionales Bedürfnis oder ein Wunsch, während Optimismus eine geistige Ausrichtung ist. Hoffnung ist sanft, manchmal fragil. Hoffnung gibt nicht auf. Sie ist das, was in der berühmten Kiste der Pandora übrig bleibt nachdem alle schlimmen Sachen aus ihr entwichen sind.

Beispiel: „Ich hoffe, dass die OP gut verläuft.“

Zuversicht ist ein Begriff, der in Bezug auf Resilienz selten benutzt wird und wenn, dann meist nur in Zusammenhang mit Glaube und Spiritualität. Zuversicht geht über Hoffnung und Optimismus hinaus. Sie ist ein inneres Vertrauen in das Leben an sich. Sie ist der Glaube an die eigene Kraft oder des getragen seins durch etwas, das über mich hinausweist, auch wenn ich nicht weiß, wie genau alles ausgehen wird. Zuversicht ist ein ruhiges, stabiles, und kraftvolles Gefühl. Zuversicht ist unabhängig von Ereignissen, auch wenn sie schlimm oder schmerzhaft sind. Sie weist über uns hinaus und fügt dem Geschehen ein herzhaftes „Trotzdem!“ hinzu, sprich dass wir trotz Leid oder Schmerz „Ja zum Leben sagen“, um mit Viktor Frankl’s Buchtitel „Trotzdem Ja! zum Leben sagen“ zu sprechen.

Beispiel: „Ich vertraue darauf, dass ich diesen Weg gehen kann – komme, was wolle.“

Zuversicht ist oft die tiefste Kraft in Krisenzeiten. Sie ist weniger laut als Optimismus und weniger sehnsuchtsvoll als Hoffnung – aber sie trägt.

Kann Optimismus auch Schattenseiten haben? Leider ja. Ein übertriebener oder erzwungener Optimismus, wie er zuweilen in manchen Kreisen praktiziert wird, kann zu einer „toxischen Positivität“ führen, die viel Schaden anrichten kann.

Toxische Positivität beschreibt den Zwang, ausschließlich positiv zu denken oder zu fühlen, selbst in schwierigen oder schmerzhaften Situationen. Gefühle wie Trauer, Wut, Angst oder Zweifel werden dabei oft abgewertet oder unterdrückt. Sie dürfen in dem Weltbild toxisch positiv denkender Menschen nicht sein. Die Untröstlichkeiten des menschlichen Daseins werden nicht gewürdigt, das Leid des Menschen nicht gesehen, und mit einem „Jetzt lächel doch mal!“ oder „Denk doch mal positiv!“ weggewischt. Es ist nunmal eine Tatsache, dass wir in einer dualen Welt leben, in der es immer Schönes und Schmerzliches geben wird. „Daran lässt sich nichts ändern, abgesehen vom inneren Raum des Einsseins, den Sie durch Meditation erreichen können.“ (Bergner, 2012). Wer einmal sein Leid einer Freundin erzählt hat und von ihr nur zu hören bekam „Alles passiert aus einem Grund“ oder „Du musst halt positiv denken, dann passiert auch Positives“ oder „Anderen geht es viel schlechter“, weiß, wie sich toxische Positivität anfühlen kann – abwertend, nicht ernst nehmend, vielleicht sogar subtil Schuld vorwerfend (weil man ja offensichtlich nicht positiv genug gedacht hat, sonst wäre einem das ja nicht passiert) und das Gefühl vermittelnd, die eigenen Gefühle leugnen zu müssen. Das Problem daran: Gefühle werden weggedrückt, statt verarbeitet. Widerstand gegen die Realität entsteht – statt Akzeptanz. Resilienz entsteht nicht durch das Leugnen negativer Emotionen, sondern durch das Annehmen und Verstehen von ihnen. Toxische Positivität macht das Leben glatt, aber leer.

Ein gesunder Optimismus dagegen erkennt schmerzliche Gefühle an, verleugnet die Realität im Jetzt nicht, geht nicht über sie hinweg. Ein gesunder Optimismus arbeitet mit dem, was ist, vertraut auf die eigene Kraft, gibt die Zeit, die es braucht, um zu heilen, ist aktiv am Heilungsprozess beteiligt, schaut nach Lösungen, und blickt grundsätzlich positiv in die Zukunft.

Wie kann man eine optimistische Grundhaltung trainieren? Ein Weg geht über die Dankbarkeit. „Wofür bist du heute dankbar?“ Dies weitet den Blick auf all das Positive, dass wir bereits in unserem Leben haben, all die kleinen und großen schönen Momente und Begegnungen, positiven Entwicklungen und alltäglichen Annehmlichkeiten, die schon mal in Vergessenheit geraten können. In Zeiten, in denen die Nachrichten und Social Media uns kaum von positiven Veränderungen und Ereignissen in der Welt berichten (es sei denn, wir suchen aktiv danach, wie zum Beispiel über die „Good News“ App), erinnern uns kleine Dankbarkeitsrituale daran, ab und zu die Perspektive etwas achtsamer zu lenken, innezuhalten, tief und bewusst durchzuatmen, neu zu schauen.

Ein Weg kann auch über die Reflexion vergangener Krisen gehen: Was hat dir damals Halt gegeben, wie hast du sie überwunden, und was hast du daraus (über dich) gelernt? Bist du vielleicht sogar durch sie gewachsen?

Wenn du dir einen gemeinsamen achtsamen, würdigenden, und unterstützenden Blick auf deinen Lebensweg und deine inneren Überzeugungen wünschst, dann sende mir gerne eine Nachricht und wir schauen in einem kostenlosen Kennenlerngespräch, ob und wie ich dich begleiten kann.

Referenzen:

Bergner, Thomas (2012). Burnout-Prävention. Schattauer Verlag.

Raivich, Karen und Shatté, Andrew (2002). The Resilience Factor. 7 Keys to Finding Your Inner Strength and Overcoming Life’s Hurdles. Three Rivers Press.